Über PS und Motor-Sound kann sich ein Autohersteller im beginnenden E-Zeitalter kaum mehr von der Konkurrenz abheben. Stattdessen gewinnen Sprachsteuerung, Konnektivität, Updatefähigkeit und die Zahl der Bildschirme den Ausschlag beim Kauf. Das hat gewaltige Folgen für die Geschäftsmodelle der gesamten Automobilindustrie.
Das Auto von morgen wird zum „Computer auf Rädern“ lautet auch das Fazit der bereits Anfang 2020 erschienenen Studie „Computer on Wheels / Disruption in Automotive Electronics and Semiconductors“ von Roland Berger. „Die Einführung des softwaregesteuerten Autos führt zu deutlichen Veränderungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette“, sagt Falk Meissner, Mit-Autor der Studie.
Herzstück künftiger Autos wird nicht mehr der Motor, sondern eine zentrale Verarbeitungseinheit, die von verschiedenen Softwareanwendungen gesteuert wird. Die Branchenexperten von EY haben schon 2021 berechnet, dass sich bei autonomen Fahrzeugen der Wert der Software auf etwa das Fünf- bis Sechsfache steigern kann.
Die Analysten von Roland Berger gehen davon aus, dass elektronische Komponenten bis 2025 rund 35 Prozent der Fahrzeugkosten ausmachen. Eine Ansicht, die auch Christophe Périllat teilt. „Unsere Branche steckt in der größten Transformation ihrer Geschichte“, sagt der CEO von Valeo und schwört sein Unternehmen darauf ein, sich neben Komponenten für E-Fahrzeuge verstärkt der Software zu widmen. Valeo hat bereits eine ganze Software-Welt entwickelt, die helfen soll, sich als zentraler Anbieter von Software für Fahrzeug-Updates und -Upgrades zu positionieren.
Gilt für Fahrzeuge der alten Verbrennerwelt für das gesamte Fahrzeugleben: Ausgestattet wie bestellt, so lassen sich bei E-Autos viele Extras über ein Update nachrüsten. Ob neue Funktionen für das Navigationssystem, eine erweiterte Rückfahrkamera oder die quietschbunte Innenraumbeleuchtung, über die im Fahrzeug integrierte SIM-Karte wird die passende Software in wenigen Minuten aufgespielt. Ohne Wartezeit und ohne extra in die Werkstatt zu fahren.
Häufig muss der Hersteller allerdings die passende Hardware bereits am Band einbauen. Mercedes praktizierte das schon vor drei Jahren im Luxus-Cruiser EQS. Standardmäßig schlugen die Räder maximal 4,5 Grad ein. Das genügt für schnellere und sichere Spurwechsel und macht das Auto agil. Lässt der Kunde gegen Aufpreis aber den vollen Radeinschlag von zehn Grad freischalten, sinkt der Wendekreis um satte zwei Meter fast auf VW-Golf-Niveau.
„Das software-gesteuerte Fahrzeug der Zukunft passt sich jederzeit an die Bedürfnisse des Besitzers an“, sagt Derek de Bono, der bei Valeo als Vice President den Bereich des Fahrzeugsoftware leitet. „Wer in der Stadt wohnt, dem mag das Standardlicht seines Autos genügen. Zieht er aufs Land und fährt öfters im Stockdunkeln, lässt er einfach das intelligente LED-Licht freischalten.“ Das größte Potenzial für Valeo sieht de Bono im ersten Schritt bei der Steuerung von Fahrassistenzsystemen und Lichtfunktionen. Auch die Optimierung des Thermomanagements habe viel Potenzial. „Mit einem einfachen Update mehr Reichweite aus der Batterie herauszukitzeln dürfte für jeden Besitzer eines E-Autos reizvoll sein.“
Ähnlich wie Apple oder Google für Smartphones werden die meisten Fahrzeughersteller Shops einrichten, in denen sie update-gesteuerte Ausstattungen anbieten. Hard- und Software werden künftig getrennt betrachtet, was Entwicklungen für Zulieferer noch komplexer macht. Fahrzeuge werden nicht die eine, alles steuernde Software besitzen, sondern aus einem komplexen Zusammenspiel einzelner Systeme bestehen, die miteinander harmonieren müssen.